Angesichts des jüngsten Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten haben Yannick Jadot und Sven Giegold einen gemeinsamen Brief an EU-Handelskommissar Malmström geschrieben. Der Brief ist unten dokumentiert.
————–
Sehr geehrte Frau Kommissarin Malmström,
Wir sind sehr besorgt über die Eskalation des Handelskonflikts zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und unserer Europäischen Union einschließlich seiner möglichen globalen Auswirkungen. Die jüngste Verschiebung des Zollbeschlusses ist sehr wahrscheinlich nur ein Aufschub. Die Auswirkungen eines internationalen Handelskrieges auf den Lebensunterhalt von Arbeitnehmern, Verbrauchern und Unternehmen sind potenziell verheerend. Deshalb haben wir alles Verständnis dafür, dass die Kommission nach Angaben der Medien in offenen Gesprächen mit den amerikanischen Partnern steht, um ein solches Szenario zu vermeiden.
Gleichzeitig sind wir besorgt, dass die europäischen Interessen nicht optimal vertreten sind.
Bei ihren Gesprächen in den USA hat Bundeskanzlerin Merkel ein „TTIP light“ zur Senkung der Industriezölle vorgeschlagen. Präsident Macron hat signalisiert, dass eine solche einseitige Vereinbarung nicht akzeptabel ist, und vorgeschlagen, auch die Agrar- und Klimapolitik einzubeziehen. Diese offene Demonstration verschiedener europäischer Prioritäten ist im Moment hoher politischer Spannungen bedauerlich. Handelspolitik ist eine europäische Kompetenz. So sind wir überrascht, dass Macron und Merkel in Amerika verhandeln, während die Europäische Kommission öffentlich überraschend schweigsam ist. Wir sind der festen Überzeugung, dass Europas Arbeitnehmer, Verbraucher und Unternehmen besser gedient ist, wenn europäische Interessen durch die Europäische Kommission mit einer Stimme und unter der Kontrolle von Rat und Parlament vertreten werden und nicht durch Mitgliedstaaten, die sich sogar offen widersprechen. So wie es in den europäischen Verträgen vorgesehen ist.
Weder die Öffentlichkeit noch das Europäische Parlament wurden von der Europäischen Kommission offiziell über die neuen Gespräche zwischen den USA und der EU informiert. Handelspolitik kann nicht mehr ohne die europäischen Bürger verhandelt werden. Ebenso ist uns kein offizielles Mandat der Mitgliedstaaten für die neuen Gespräche bekannt. Noch weniger wurde ein solches Mandat zur Diskussion von TTIP light jemals mit dem Europäischen Parlament diskutiert. Das TTIP-Mandat des Europäischen Rates sowie der Beschluss des Plenums des Europäischen Parlaments über TTIP sehen kein TTIP light vor.
Wir Grünen können sehr wohl die Vorteile eines potenziellen TTIP light zur Senkung von Industriezöllen sehen, was auch zur Wiederherstellung des Gleichgewichts der Weltwirtschaft beitragen könnte. Wir möchten jedoch betonen, dass Sozial-, Umwelt- und Steuerdumping sowie unlautere Handelspraktiken gleichermaßen prioritäre Themen sind.
Ebenso möchten wir Sie daran erinnern, dass auch Gespräche für ein TTIP light ein formales Mandat benötigen. Das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente haben klar definierte Rechte in der Handelspolitik, die respektiert werden müssen. Ebenso hat die breite Öffentlichkeit ein Recht auf Transparenz in den europäischen Handelsverhandlungen, insbesondere in Momenten relevanter Konflikte. Deshalb fordern wir Sie auf, die europäische Öffentlichkeit über den Stand der laufenden Gespräche mit den amerikanischen Partnern entsprechend Ihren eigenen starken Selbstverpflichtungen zur Transparenz in der Vergangenheit zu informieren. Ebenso werden wir vorschlagen, dass Sie in das Europäische Parlament eingeladen werden, um die Angelegenheit in einer öffentlichen Anhörung zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen,
Yannick Jadot MdEP, Koordinator der Grünen im Handelsausschuss
Sven Giegold MdEP, Koordinator der Grünen im Wirtschafts- und Währungsausschuss
Weitere Informationen: