Das Europaparlament hat den Bericht über “Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen” mit einer soliden Mehrheit von 368 dafür, 161 dagegen und 60 Enthaltungen angenommen. Für den Bericht stimmten Grüne, Sozialdemokraten, Liberale und Rechts-Konservative. Gegen den Bericht stimmten vor allem die Christ-Demokraten. Im März hatte bereits der Verfassungsausschuss den Bericht unterstützt. Fast alle Mitglieder stimmten dafür, nur drei deutsche Christdemokraten hatten sich den Forderungen nach mehr Lobbytransparenz und härteren Integritätsregeln verweigert. Über 1.000 Bürgerinnen und Bürger sowie Nichtregierungsorganisationen hatten sich bei der Erstellung des Berichts eingebracht. Über 100.000 Bürger unterstützen in einer Petition die Schlüsselforderungen. Dem Initiativ-Bericht des Parlaments müssen nun Umsetzungsmaßnahmen der EU-Institutionen folgen.
Dazu sagt Sven Giegold als Urheber des Berichts über “Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen, Berichterstatter für Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU Institutionen sowie Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament:
“Es ist ein einmaliger Vorgang, dass sich das Europaparlament zu deutlich mehr Transparenz im Lobbyismus und für stärkere Regeln gegen Seitenwechsel durchringt. Das Europaparlament macht einen offensiven Schritt, um dem weit verbreiteten Gefühl der zu großen Nähe zwischen Politik und Wirtschaft zu begegnen. Der lange Kampf für mehr Transparenz und starke Ethikregeln hat sich gelohnt, denn so kann das Vertrauen in die EU-Institutionen steigen.
Durch die Umsetzung der Forderungen können die EU-Institutionen nun zum Vorreiter für Lobbytransparenz werden. Doch die heutige Entscheidung hat einen Wehmutstropfen: Es ist ein Trauerspiel, dass die EU-Abgeordneten bei sich lockerere Maßstäbe anlegen als bei Mitarbeitern der EU-Kommission. Sowohl bei der Selbstverpflichtung zu mehr Lobbytransparenz als auch den Seitenwechseln haben sich die Abgeordneten geschont.
Der von den Europaabgeordneten eingeforderte Legislative Fußabdruck ermöglicht den Bürgern auf einem Blick zu sehen, wie ausgewogen Interessenvertreter bei EU-Gesetzentwürfen einbezogen wurden. Das bisher freiwillige Transparenzregister für Lobbyisten wird verbindlicher, weil sich Lobbyisten registrieren müssen, um Zugang zu den Gesetzgebern zu haben. Die EU-Kommission war mit der “kein Treffen ohne Registrierung”-Regel vorangegangen. Die geforderte Ausweitung der Regeln auf alle relevanten Kommissionsmitarbeiter schließt Schlupflöcher. Die Erleichterung und Empfehlung des Legislativen Fußabdrucks im Parlament verstärkt die Anreize zur Registrierung noch weiter. Berlin, Paris und andere Hauptstädte haben schwächere Transparenz-Regeln und sollten bei der Lobbytransparenz nun auch nachziehen. Der Fortschritt im Europaparlament macht den Rat der Mitgliedstaaten zur letzten der drei großen EU-Institutionen, der unregistrierte Lobbyisten ein- und ausgehen lässt.
Eine gute Woche vor der Bundestagswahl legt das Europaparlament die Blockadehaltung der CDU und der Bundesregierung bei der Transparenz von Lobbyismus offen. Das Parlament setzt Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Gabriel unter Druck, sich endlich als mächtige Mitglieder im Rat der Mitgliedstaaten ernsthaft am Transparenzregister für Lobbyisten zu beteiligen. Die Bundesregierung muss dem intransparenten Lobbyismus auch in der ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU ein Ende setzen. Außerdem weisen die Europaparlamentarier den unwürdigen Vorstoß des CDU-Europaabgeordneten Markus Pieper zurück, die Zivilgesellschaft an die kurze Leine einer europäischen Gesinnungspolizei zu legen. Die Christdemokraten hatten eine staatliche Behörde gefordert, die bewerten soll, ob finanziell geförderte Organisationen auf der Basis überprüfbarer Fakten argumentieren. Staatliche Wahrheitsprüfungen passen zu Russland, Kuba oder Venezuela nicht aber zur Meinungsfreiheit Europas. Das ist der Demokratie in Europa unwürdig.
Eine handlungsfähige EU-Kommission braucht auch unzweifelhafte Ethik-Regeln. Das EU-Parlament fordert mehr Glaubwürdigkeit dort, wo gestern Kommissions-Präsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union schwach war. Nach den Skandalen um Manuel Barroso und Neelie Kroes braucht der Verhaltenskodex für EU-Kommissare nicht nur ein bisschen mehr Abkühlzeit vor einem Wechsel als Lobbyist. Ehemalige Kommissare müssen ihre neuen Jobs von unabhängigen Schiedsrichtern prüfen lassen, nicht von solchen, die sie zuvor selbst ausgewählt haben. Dieser Mangel an Unabhängigkeit des Ethikausschusses hat dazu geführt, dass sogar klare Regelverletzungen folgenlos blieben. Den Ethikausschuss ´unabhängig’ zu nennen, genügt nicht. Die Europaabgeordneten haben heute gezeigt, dass sie Junckers Etikettenschwindel nicht hinnehmen werden. Die EU-Kommission muss für unabhängige Richter sorgen.
Europäische Politik muss für die Öffentlichkeit nachvollziehbarer werden. Wir EU-Abgeordnete wollen, dass die Dokumente des Trilogs zwischen Parlament, Kommission und Rat endlich öffentlich zugänglich werden. Der Zugang zu Dokumenten muss nicht nur für die großen EU-Institutionen gelten, sondern auch für andere EU-Organe wie die EZB und den Europäischen Gerichtshof. Wir EU-Abgeordnete wollen die demokratischen Kontrolle aller wichtigen Organe der EU stärken.
Nun geht es darum, dass die Beschlüsse von den EU-Institutionen umgesetzt werden. Dafür werde ich mich dem gleichen Engagement einsetzen, wie ich es für diesen Bericht im Parlament getan habe.”
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