Dienstag, 21. November 2017

Sven Giegold - Schutz für Whistleblower notwendig und wichtig

An diesem Donnerstag, den 23. November, beginnt das Berufungsverfahren von Antoine Deltour und Raphaël Halet vor dem Luxemburger Oberlandesgericht. Antoine Deltour will das gegen ihn verhängte Urteil mit der Begründung anfechten, dass er mit ehrlicher Absicht handelte. Der ehemalige Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC hatte gemeinsam mit Raphaël Halet und dem Journalisten Edouard Perrin 2014 den sogenannten Luxleaks-Skandal aufgedeckt. Erst das Bekanntwerden von Steuerabsprachen Luxemburgs mit hunderten Unternehmen bewog die Europäische Kommission und Mitgliedstaaten dazu, den Kampf gegen Steuerdumping endlich anzugehen. Das Urteil vor einem Jahr gegen Deltour lautete sechs Monate auf Bewährung und 1500 Euro Geldstrafe. Wenn die Berufung vor dem Luxemburger Oberlandesgericht scheitert, bleibt Deltour und Halet der Weg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Die bevorstehende Berufungsentscheidung beurteilt Sven Giegold, der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament:
“Das Berufungsverfahren gegen Antoine Deltour ist ein grotesker Tiefpunkt der Gerechtigkeit. Die Urteile gegen Deltour und Halet sind doppelt skandalös. Erstens: Es ist schlicht falsch, dass das Gericht in seinem Urteil behauptet, die von Deltour und Halet aufgedeckten Steuervorbescheide wären legal. Die Steuervorbescheide waren jedoch nicht nur illegitim, sondern auch illegal, denn sie verletzten vielfach europäisches Beihilferecht und europäisches Steuerrecht. Zweitens: Es ist unverschämt, Whistleblower nicht nach dem überragenden öffentlichen Interesse ihres Handelns zu beurteilen. Das Gericht fordert stattdessen reine Absichten der Whistleblower, was angesichts des aufgedeckten Steuerdumpings völlig unangemessen ist. Wer Milliardenschäden am Gemeinwohl abwendet, darf nicht bestraft werden, weil im Moment der Datenbeschaffung möglicherweise auch andere Motive bestanden haben. Für ihren Einsatz für das Gemeinwohl haben die Whistleblower einen Freispruch und Schutz verdient. Das Luxemburger Gericht kriminalisiert Zivilcourage.
Der Fall Deltour zeigt beispielhaft, warum wir unverzüglich einen wirksamen Schutz von Whistleblowern brauchen. Bis heute hat Luxemburg keine Reform des Schutzes von Hinweisgebern vorgelegt. Versprechungen der Regierung ruhen derweil. Immer noch fehlt es an einem Schutz für Whistleblower aus dem privaten Sektor. Auch in Deutschland ist ein umfassendes Whistleblower-Schutzgesetz überfällig. Die EU-Kommission hat immerhin nach jahrelangem Druck einen Gesetzentwurf für das nächste Jahr angekündigt. Wir werden nicht ruhen, bis Whistleblower überall in Europa wirksam geschützt sind.”

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