Mittwoch, 27. September 2017

Staatspräsident Macron: Initiative für Europa - ein gangbarer Weg?

Zur europapolitischen Grundsatzrede des französischen Staatspräsidenten Macron stellt das französische Außenministerium folgende Informationen zum Konzept Initiative für Europa im Internet vor:

Haben die europäischen Länder angesichts der großen Herausforderungen unserer Zeit – in Sachen Verteidigung und Sicherheit, Migration, Entwicklung, Klimawandel, digitale Revolution, Regulierung einer globalisierten Wirtschaft – die Mittel zur Verteidigung ihrer Interessen und Werte sowie zur Wahrung und Anpassung ihrer weltweit einzigartigen Sozial- und Demokratiemodelle gefunden? Kann sich jeder allein diesen Herausforderungen stellen?
Wir können uns es nicht erlauben, dieselbe Politik, dieselben Gewohnheiten, dieselben Verfahrensweisen und dieselben Budgets beizubehalten. Wir dürfen nicht noch mehr den Weg der nationalen Abschottung gehen.
Der einzige Weg, unsere Zukunft zu sichern, ist die Neubegründung eines souveränen, geeinten und demokratischen Europas.

Ein souveränes Europa
Sechs Schlüssel zur europäischen Souveränität
1. Ein Europa, das Sicherheit in all ihren Dimensionen gewährleistet
-  In Sachen Verteidigung muss sich Europa mit einer gemeinsamen Eingreiftruppe, einem gemeinsamen Verteidigungshaushalt und einer gemeinsamen Handlungsdoktrin ausstatten. Es ist notwendig, die rasche Einrichtung eines europäischen Verteidigungsfonds und der Ständigen Strukturellen Zusammenarbeit zu fördern und diese um eine europäische Interventionsinitiative zu erweitern, die eine bessere Integration unserer Einsatzkräfte auf allen Ebenen ermöglicht.
-  Im Kampf gegen den Terrorismus muss Europa durch die Gründung einer europäischen Nachrichtendienstakademie die Annäherung unserer nachrichtendienstlichen Fähigkeiten gewährleisten.
-  Die Sicherheit muss gemeinsam in all ihren Dimensionen gewährleistet werden: Europa muss mit gemeinsamen Zivilschutzkräften ausgestattet werden.
2. Ein Europa, das auf die Herausforderung der Migration reagiert
-  Wir müssen einen gemeinsamen Grenz-, Asyl- und Migrationsraum schaffen, um unsere Grenzen effizient zu verwalten, Flüchtlinge in Würde zu empfangen, sie richtig zu integrieren und diejenigen schnell zurückzuschicken, die im Sinne des Asylrechts nicht beihilfeberechtigt sind.
-  Wir müssen eine europäische Asylbehörde schaffen, die unsere Verfahren beschleunigt und harmonisiert; wir müssen miteinander verknüpfte Dateien und biometrisch gesicherte Ausweisdokumente einführen; wir müssen schrittweise eine europäische Grenzpolizei einrichten, die eine strenge Verwaltung der Grenzen garantiert und die Rückführung derer gewährleistet, die nicht bleiben können; wir müssen ein umfangreiches europäisches Bildungs- und Integrationsprogramm für Flüchtlinge finanzieren.
3. Ein Europa, dessen Blick auf Afrika und den Mittelmeerraum gerichtet ist
-  Europas Außenpolitik muss auf einige Prioritäten ausgerichtet sein: zunächst der Mittelmeerraum und Afrika.
-  Es muss eine neue Partnerschaft mit Afrika aufbauen, die auf Bildung, Gesundheit und dem Energiewandel basiert.
4. Europa als Vorbild für nachhaltige Entwicklung
-  Bei einem effizienten und gerechten Energiewandel muss Europa federführend sein.
-  Es muss Investitionen in diesen Wandel fördern (Verkehr, Wohnraum, Industrie, Landwirtschaft …), indem es einen fairen CO2-Preis einführt: durch einen signifikanten Mindestpreis innerhalb seiner Grenzen und durch eine europäische CO2-Steuer an den Grenzen, um eine Gleichbehandlung zwischen seinen Produzenten und ihren Konkurrenten herzustellen.
-  Europa muss ein industrielles Förderprogramm für saubere Fahrzeuge und für die dafür benötigten Infrastrukturen einrichten (Ladestationen …).
-  Es muss seine Nahrungsmittelsouveränität gewährleisten, indem es die Gemeinsame Agrarpolitik reformiert und eine gemeinsame Kontrollstelle einrichtet, die die Ernährungssicherheit der Europäer gewährleistet.
5. Ein Europa der Innovation und der Regulierung, die an die digitale Welt angepasst sind
-  Europa muss diesen Wandel anführen und nicht einfach hinnehmen, indem es innerhalb der Globalisierung sein Modell der Verknüpfung von Innovation und Regulierung bewirbt.
-  Es muss sich mit einer Agentur für bahnbrechende Innovationen ausstatten, durch die neue oder noch unerforschte Forschungsbereiche wie die künstliche Intelligenz gemeinsam finanziert werden.
-  Es muss die Gleichbehandlung und das Vertrauen in den digitalen Wandel gewährleisten und dabei seine Steuersysteme (Besteuerung von digitalen Unternehmen) überdenken und große Plattformen regulieren.
6. Europa als Wirtschafts- und Währungsmacht
-  Die Eurozone muss das Zentrum der wirtschaftlichen Kraft Europas in der Welt werden.
-  Durch die Vervollständigung nationaler Reformen muss es sich mit Instrumenten ausstatten, die es zu einem Ort des Wachstums und der Stabilität machen, insbesondere mit einem Haushalt, der die Finanzierung von gemeinsamen Investitionen ermöglicht und Stabilität angesichts wirtschaftlicher Schocks gewährleistet.
Ein geeintes Europa
1. Eine konkrete Solidarität durch eine soziale und steuerliche Konvergenz
-  Wir müssen die Konvergenz in der gesamten EU vorantreiben und Kriterien festlegen, die schrittweise unsere Sozial- und Steuermodelle annähern. Der Zugang zu europäischen Solidaritätsfonds soll die Einhaltung dieser Kriterien zur Bedingung machen.
-  Hinsichtlich der Besteuerung ist es erforderlich, einen Steuerkorridor für Körperschaften festzulegen. Auf sozialer Ebene muss allen ein Mindestlohn garantiert werden, der den wirtschaftlichen Gegebenheiten der einzelnen Länder entspricht, und dem Wettbewerb muss durch Sozialbeitragsstufen ein Rahmen gegeben werden.
2. Das Bindeglied für Kultur und Wissen
-  Die Schaffung eines Zugehörigkeitsgefühls ist das stärkste Bindeglied für Europa.
-  Wir müssen den Austausch intensivieren, damit jeder junge Europäer mindestens sechs Monate in einem anderen europäischen Land (50 % jeder Altersstufe bis 2024) verbracht hat und jeder Studierende bis 2024 zwei europäische Sprachen spricht.
-  Wir müssen europäische Universitäten und universitäre Netzwerke schaffen, um Auslandsstudien und die Teilnahme an einem mindestens zweisprachigen Unterricht zu ermöglichen. In den Gymnasien müssen wir einen Prozess der Harmonisierung bzw. der gegenseitigen Anerkennung von Abschlüssen in der Sekundarstufe auf den Weg bringen (nach dem Vorbild der Hochschulabschlüsse).
Ein demokratisches Europa
Die Neuausrichtung Europas kann nicht ohne die Bevölkerungen stattfinden, sondern muss sie von Anfang an in diesen Fahrplan einbinden.
1. Die Notwendigkeit von Debatten: demokratische Konvente
-  2018 werden über sechs Monate nationale und lokale Debatten auf der Grundlage gemeinsamer Themen in allen EU-Ländern durchgeführt, die dies wünschen.
2. Die Stärkung des EU-Parlaments: europaweite Listen
-  Ab 2019 müssen wir auf Grundlage der durch den Brexit freiwerdenden Abgeordnetensitze europaweite Listen schaffen, damit die Europäer über ein kohärentes und gemeinsames Projekt abstimmen können.
Wie soll Europa 2024 aussehen?
1. Die Europäische Union, unser gemeinsamer Rahmen
-  Die EU legt unser gemeinsames Fundament fest, das (i) auf gemeinsamen demokratischen, nicht verhandelbaren Werten und (ii) auf einem einfacheren und schützenderen Binnenmarkt in Verbindung mit einer neu gestalteten Handelspolitik basiert (mit drei Zielsetzungen: Transparenz in den Verhandlungen und Umsetzung von Handelsabkommen; soziale und ökologische Anforderungen; die Gegenseitigkeit, mit einer europäischen Staatsanwaltschaft für Handelsfragen, die mit der Überprüfung der Einhaltung von Vorschriften durch unsere Wettbewerber und der unverzüglichen Sanktionierung unlauterer Praktiken beauftragt ist).
2. Die Differenzierung nach Zielsetzung
-  Innerhalb dieser EU müssen die Länder, die weiter und schneller vorankommen wollen, dies ohne Hürden tun können. Die Kooperationen stehen allen jederzeit offen, ausschlaggebend ist hier einzig das Kriterium der geteilten Zielsetzung, ohne ein vorher festgelegtes Format.
3. Der deutsch-französische Impulsgeber
-  Angesichts dieser Herausforderungen ist der deutsch-französische Impulsgeber entscheidend. „Warum zielen wir nicht bis 2024 auf die vollständige Integration unserer Märkte ab, indem wir bei unseren Unternehmen dieselben Regeln anwenden, vom Wirtschaftsrecht bis hin zum Konkursrecht?“
-  Dieser Pioniergeist und konkrete Wille entsprechen denen des Elysee-Vertrages; Frankreich schlägt deshalb eine Überarbeitung des Vertrages vor, der eine neue gemeinsame Ambition zum Ausdruck bringt.
4. Die Gruppe zur Neugestaltung der EU
-  Alle Länder, die sich diesem Wunsch anschließen wollen, könnten in den nächsten Wochen eine „Gruppe zur Neugestaltung der EU“ auf den Weg bringen.
-  In dieser Gruppe wären die Repräsentanten jedes entschlossenen Mitgliedstaates vertreten und die europäischen Institutionen zusammengeführt.
-  Unter Einbeziehung der Ergebnisse der Debatten während der demokratischen Konvente wird sie bis zum Sommer 2018 genaue Maßnahmen formulieren und vorschlagen, mit denen dieses Ziel umgesetzt wird. Die zur Neugestaltung (verstärkte Zusammenarbeit, mittelfristig neuer Vertrag, etc.) notwendigen Mittel werden Thema für Thema ermittelt.

Weitere Information:
https://de.ambafrance.org/Staatsprasident-Macron-Initiative-fur-Europa

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